Markus A. Langer

Redakteur

Medienmanager

Umweltwissenschaftler

Geograph

Interview mit Bischof Donal McKeown

Mann mit Brille und grauen Haaren trägt eine schwarze Jacke und einen Priesterkragen, steht im Freien vor grünem, verschwommenem Hintergrund.© PA Images / Alamy Stock Photo
Donal McKeown, Bischof von Derry: "Die Heilige Schrift ist voll der Hoffnung: Hinter jedem Kalvarienberg steckt ein leeres Grab."

Von den Troubles zum Frieden: Ein irischer Lebensweg

Der 1950 geborene Donal McKeown schildert in diesem Gespräch seine bewegende Lebensgeschichte – von seiner einfachen, aber prägenden Kindheit auf dem irischen Land bis hin zu seiner Rolle als Jugendpriester in Belfast während des blutigen Nordirland-Konflikts. Er erzählt, wie sein tiefer Glaube und seine Suche nach Versöhnung seinen Werdegang beeinflussten und ihn schließlich sogar zum Journalismus führten, um die komplexe Situation für deutsche Leser zu erklären.

Mit beeindruckender Offenheit reflektiert Bischof von Derry über die Herausforderungen, denen er als Geistlicher gegenüberstand, und die wichtige Rolle der Kirchen im Friedensprozess. Er teilt auch seine hoffnungsvolle Perspektive für die Zukunft der Kirche und Gesellschaft in Nordirland.

Audio

Kindheit und Ausbildung
Bischof Donal McKeown wurde 1950 in eine große Familie hineingeboren. Er wuchs auf dem Land ohne Strom oder fließendes Wasser auf, aber umgeben von einer starken familiären Gemeinschaft. Sein Vater war Uhrmacher, seine Mutter Volksschullehrerin. Der katholische Glaube, die gälische Sprache und die Kultur spielten eine zentrale Rolle in seinem Leben. In der Schule waren besonders die Priester als Lehrer prägend für ihn. Durch einen Deutschlehrer entdeckte er seine Liebe zur Sprache und studierte später Germanistik.

Glaube und Berufung zum Priester
Schon als Kind war er religiös, doch die eigentliche Entscheidung für das Priestertum fiel erst spät. Ein Lehrer fragte ihn, ob er das Priesterleben in Betracht gezogen habe, und er entschied sich, es auszuprobieren. Ohne große Eingebung begann er im Priesterseminar und blieb dabei. In Belfast erlebte er eine enge Verbindung zwischen Studium und Glaubensleben. Die turbulente Zeit der 1960er prägte ihn, und nach seinem Studium in Belfast und einem Jahr in Deutschland ging er zur theologischen Ausbildung nach Rom.

Erfahrungen in der Zeit des Nordirlandkonflikts
McKeown erlebte als junger Mann die Eskalation der Gewalt in Nordirland. Anfangs waren die Proteste für Bürgerrechte friedlich, doch durch das brutale Vorgehen des Staates wandelte sich die Lage. Besonders der “Bloody Sunday” 1972 war für ihn ein Wendepunkt. Er erkannte, dass der Konflikt nicht nur religiös, sondern ein historischer und politischer war, der tief in der irisch-britischen Geschichte wurzelte. Während seines Aufenthalts in Deutschland wurde er als Korrespondent für die Katholische Nachrichtenagentur KNA tätig und versuchte, die Lage in Nordirland den Deutschen verständlich zu machen.

Schwarz-Weiß-Fotografie einer großen Menschenmenge bei einem Trauerzug. Ein mit Blumen geschmückter Leichenwagen wird von einer dichten Versammlung von Menschen begleitet, viele tragen Regenschirme. Im Hintergrund sind Wohngebäude mit Trauerflaggen zu sehen.© PA Images / Alamy Stock Foto
Blutiger Sonntag, 30. Jänner 1972: 13 unbewaffnete Zivilisten werden bei einer Demonstration in Derry von britischen Fallschirmjägern erschossen. Drei Tage später begleitet eine stille, traurige Menschenmenge bei strömendem Regen den Trauerzug von der St. Mary’s Church zum Friedhof.

Arbeit als Priester und Einsatz für den Frieden
Nach seiner Priesterweihe 1977 arbeitete er als Lehrer und Schulleiter in nicht-katholischen Schulen sowie in Pfarreien. Besonders wichtig war für ihn der interkonfessionelle Dialog und die Arbeit mit jungen Menschen. Er besuchte Gefängnisse, führte Gespräche mit Geistlichen anderer Konfessionen und versuchte, Brücken zu bauen. Die Kirchen spielten eine zentrale Rolle im Friedensprozess, oft im Hintergrund, während die Politik noch in verhärteten Fronten steckte. Geistliche und Laien arbeiteten gemeinsam daran, Wege zur Versöhnung zu finden.

Das Karfreitagsabkommen und seine Folgen
Das Karfreitagsabkommen von 1998 war für McKeown ein entscheidender Schritt, um den jahrzehntelangen Konflikt zu beenden. Er betont, dass es nicht um Religion, sondern um Identität ging – zwischen denjenigen, die sich irisch fühlten, und jenen, die sich britisch sahen. Das Abkommen schuf eine Balance zwischen Nordirland, der Republik Irland und Großbritannien. Trotz des relativen Friedens gibt es weiterhin soziale Herausforderungen, insbesondere unter der protestantischen Arbeiterklasse, die heute stärker von Armut betroffen ist als früher.

Brexit und die Zukunft Nordirlands
Brexit hat die Lage in Nordirland verändert, da es nun eine Grenze zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU geben muss. Doch McKeown sieht Hoffnung in einer Sonderregelung für Nordirland, die wirtschaftliche Vorteile bringen könnte. Eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik sei nicht vorstellbar, da sich die Menschen längst an die offene Insel gewöhnt hätten.

Hoffnung und die Rolle der Kirche
McKeown sieht die Kirche als wichtige Stimme der Hoffnung. Trotz sozialer Probleme wie Drogenabhängigkeit und Gewalt glaubt er an eine positive Zukunft. Junge Menschen und ihr Idealismus seien entscheidend für die Erneuerung der Gesellschaft und der Kirche. Für ihn liegt die Aufgabe der Kirche darin, eine hoffnungsvolle Perspektive zu vermitteln und die Menschen von Angst und Verzweiflung zu befreien. Die Geschichte zeige, dass Gott auch in schwierigen Zeiten aktiv sei. Entscheidend sei, eine positive Erzählung über die Vergangenheit zu entwickeln, um Hoffnung für die Zukunft zu schöpfen.