© Markus A. Langer „Technik allein wird uns nicht retten“
Im Interview spricht Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb über die Dringlichkeit, den Klimawandel zu bekämpfen. Sie verbindet wissenschaftliche Fakten mit gesellschaftlicher Verantwortung und persönlicher Haltung. Bezugnehmend auf Papst Franziskus’ Enzyklika „Laudato si’“ fordert sie eine ökologische Umkehr – nicht nur technisch, sondern kulturell und ethisch. Der Klimawandel ist für sie nicht nur ein Umweltproblem, sondern eine Menschheitsfrage, die Mut, Veränderung und globale Kooperation erfordert.
Globale Krise mit begrenztem Zeitfenster
Kromp-Kolb betont die globale Dimension des Klimawandels. Die Erwärmung bedroht Natur, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen. Besonders kritisch sei, dass wir nur ein begrenztes Zeitfenster zur Lösung haben – ein „Bremsweg“ des Klimas ist bereits in Gang. Ob Kipppunkte schon überschritten sind, lässt sich wissenschaftlich nicht sicher sagen. Aber die Unsicherheit ist kein Grund zum Abwarten – im Gegenteil: Sie erfordert entschlossenes, sofortiges Handeln.
Menschlicher Einfluss & Wasser als Krisenfaktor
Die dominierende Rolle des Menschen in der Klimaentwicklung ist seit der industriellen Revolution belegt. Während frühere Klimaveränderungen Jahrtausende dauerten, erleben wir heute massive Umwälzungen in wenigen Jahrzehnten. Besonders betroffen: der Wasserhaushalt. Wassermangel, Extremwetter und Verschiebung von Klimazonen führen zu sozialen Spannungen, Fluchtbewegungen und regionalen Wirtschaftskrisen – auch in Österreich, etwa durch sommerliche Trockenheit im Osten.
Wertewandel statt Technikglaube
Eine rein technologische Lösung sieht Kromp-Kolb kritisch. Sie warnt vor einem „technokratischen Paradigma“, das Innovationen unreflektiert überbewertet. Nachhaltigkeit erfordere vielmehr einen kulturellen Wandel: Demut, Empathie, Kooperation und Suffizienz. Ein neuer Lebensstil bedeutet nicht Rückschritt, sondern mehr Lebensqualität. Verzicht könne auch Befreiung sein – viele Menschen entdeckten bereits, dass weniger Konsum mehr Zufriedenheit bedeutet.
Politik, Kirche und Hoffnung
Kritisch sieht sie die Rolle von Interessensvertretungen wie Wirtschaftskammern, die echte Veränderung blockieren. Hoffnung schöpft sie aus der Zivilgesellschaft, aus lokalen Initiativen, aus Regionen, die Verantwortung übernehmen. Auch Papst Franziskus sieht sie als wichtige Stimme: Wenn seine Enzyklika nicht nur gelesen, sondern gelebt wird, könne sie viel bewegen. Der Wandel muss in der Tiefe geschehen – individuell, strukturell, global.
Das Interview wurde im Juni 2015 kurz nach der Veröffentlichung der Enzyklika “Laudato si'” geführt.
