Markus A. Langer

Redakteur

Medienmanager

Umweltwissenschaftler

Geograph

Interview mit Sozialethikerin Ingeborg Gabriel

Ingeborg Gabriel
Ingeborg Gabriel: „Die Armen sind am wenigsten verantwortlich für die Krise – aber sie leiden am meisten darunter.“

„Ökologie ist kein Nebenthema – sie ist Kernfrage der Gerechtigkeit“

Was bedeutet ökologische Verantwortung im Licht von Gerechtigkeit und Menschenwürde? Die renommierte Sozialethikerin Ingeborg Gabriel spricht über die Enzyklika Laudato si’ und ihre weitreichenden ethischen Implikationen.

Gabriel zeigt auf, warum Umweltschutz nicht nur eine technische oder politische, sondern vor allem eine moralische Herausforderung ist. Sie ordnet die ökologische Krise in den größeren Kontext globaler Ungleichheit ein und mahnt zur Umkehr – persönlich, gesellschaftlich und spirituell.

Ein tiefgründiges Gespräch über christliche Soziallehre, globale Verantwortung und die Rolle der Kirche in einer Welt am Kipppunkt.

Zwischen Verantwortung und Realpolitik

Im Gespräch beleuchtet Ingeborg Gabriel, emeritierte Professorin für Sozialethik, die Bedeutung der Enzyklika Laudato si’ von Papst Franziskus und betont: Die ökologische Frage ist im Kern eine Frage der Gerechtigkeit. Es geht nicht nur um Natur- oder Klimaschutz, sondern um das Überleben in Würde – besonders für die Armen und die kommenden Generationen.

Gerechtigkeit als theologisches Grundprinzip

Gabriel unterstreicht, dass die Soziallehre der Kirche das Prinzip der Gerechtigkeit auf alle gesellschaftlichen Felder ausweitet. Die Klimakrise ist damit nicht nur ein Umweltthema, sondern eine moralische Herausforderung. Dabei hebt sie hervor, dass besonders der Globale Süden unter den Folgen des westlichen Lebensstils leidet – und die Industrienationen eine besondere Verantwortung tragen.

Technik allein reicht nicht – es braucht Umkehr

Die Sozialethikerin warnt davor, technologische Innovationen als Allheilmittel zu betrachten. Ohne einen kulturellen und ethischen Wandel bleiben solche Lösungen oberflächlich. Laudato si’ fordert darum eine „ökologische Umkehr“ – eine tiefgreifende Neubewertung unseres Verhältnisses zur Natur, zur Wirtschaft und zum eigenen Lebensstil.

Kirche als Stimme für das Gemeinwohl

Gabriel ruft die Kirche dazu auf, sich noch entschiedener in die gesellschaftliche Debatte einzubringen. Sie dürfe sich nicht auf innerkirchliche Fragen zurückziehen, sondern müsse als moralische Kraft wirken – auch mit Blick auf Politik, Wirtschaft und Bildung.

Das Interview wurde im Juni 2015 kurz nach der Veröffentlichung der Enzyklika “Laudato si'” geführt.